Projekt: Interdependenzen im 21. Jahrhundert (2020)

Was stand hinter diesem Projekt?

In unserer zunehmend durch bewaffnete und kriegsähnliche Konflikte, ungerechte Umverteilung von Ressourcen, Hunger, Klimakatastrophen und Flüchtlingskrisen geprägten Welt haben Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft (mehr denn je) eine gesellschafts- und völkerverbindende Rolle zu spielen. Sie haben zur Aufgabe eine menschenwürdige Idee des Humanen ins Soziale zu in-skribieren. Der Verein Initiative AFRIEUROTEXT ist fest davon überzeugt, dass Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft nicht nur Brücken zwischen Kul-turen bauen, sondern auch sozialen Frieden stiften. Österreich ist ein EU-Land und pflegt unterschiedliche Beziehungen zu anderen Ländern der Welt. Es ist daher ein Mehrwert für unser wertvolles soziales bzw. kulturelles Feld Österreich, wenn den in Österreich lebenden Menschen die Zusammenhänge unserer Welt im Sinne einer Kultur des Dialogs, des Austausches und des Friedens differenziert verständlich sichtbar gemacht werden. Vorliegendes Projekt setzt sich daher zum Ziel, durch unterschiedlich gestaltete und geartete kulturelle, wissenschaftliche und künstlerische Veranstaltungen, das Bewusstsein der breiten österreichischen und europäischen Zivilgesellschaft – im Sinne einer bildungspolitischen Partizipation – auf die Zusammenhänge unserer Gegenwart aufmerksam zu machen. Dadurch wird ein Aufbrechen überlieferter verkrusteter Denkweisen ermöglicht. Es geht darum, einen Umdenkprozess auszulösen. Dieses Projekt bettet sich in die Vision und Mission von AFRIEUROTEXT ein, einen nachhaltigen Beitrag zu einer Kultur des Austausches, des Dialogs, des Friedens und des differenzierten Denkens und Handelns österreich- und europaweit zu leisten. AFRIEUROTEXT legt viel Wert auf Texte bzw. auf die „Textualität“ unserer Welt. Texte, [seien es literarische oder (nicht)literarische] vermitteln einen tief-gehenden Blick in Themen und Anliegen jeweiliger Gesellschaften. Texte können zu einer differenzierten Betrachtung soziopolitischer, volkswirtschaftlicher Verhältnisse, Strukturen und Verfassungen afrikanischer und europäischer Gesellschaften, sowie zu einer Kultur der wechselseitigen Achtung und des Friedens beitragen. Der AFRIEUROTEXT Textbegriff ist – über das geschriebene oder gesprochene Wort hinaus – im breiteren Sinne als Hinweis auf die Relationen, Kontingenzen und Kontiguitäten, als Hinweis auf die gewebeartigen Dimensionen unseres Alltags zu verstehen. Die Auseinandersetzung mit Texten für eine Kultur des Austausches, des Dialogs, des Friedens und des differenzier-ten Denkens und Handelns gehört zu den Wesensmerkmalen einer demokratischen Kultur.

Trotz der Tatsache, dass die weltweite Corona-Situation das Abhalten von Präsenzveranstaltungen unmöglich machte. Hat der Kulturverein AFRIEUROTEXT ein anderes Format ausgewählt, um weiter – das Zusammenleben und den friedlichen Dialog mitgestaltend – aktiv zu bleiben. Wir haben Bücher zu den in unserem Jahresprogramm erwähnten Debattenthemen kontrapunktisch analysiert und diskutiert.

Veranstaltung 1
Buchtitel und Autor:
Achille Mbembe, Politik der Feindschaft. Aus dem Französischem Politiques de l´Inimitié (2016)
Titel: DIALOG, TOLERANZ UND AKZEPTANZ ALS GARANTEN FÜR EIN FRIEDLICHES ZUSAMMENLEBEN

Wir leben in einer Zeit, in der Propaganda mit der Figur des kulturell Anderen bzw. Fremden zu betreiben ein Job wie jeder andere Job geworden ist. Im Zeitalter politisch-psychischer Phantasmen einer Gesellschaft ohne den Anderen ist die Feindseligkeit zum Grundmerkmal gegenwärtiger demokratischer Vorstellungs-kraft bzw. -schwäche geworden. In seinem neuesten Essay – betitelt Politiques de l‘ inimitié (2016) (dt. Politik der Feindseligkeit) – taucht der Kameruner Geschichts- und Politikwissenschaftler Achille Mbembe in die Apotheke des Psychiaters aus Martinique (Frantz Fanon) ein, um eine psychoanalytische Heilung unserer Gegenwart vorzuschlagen. Achille Mbembe lotet Auswege aus fortbestehenden Feindseligkeitslogiken aus, um die politischen, kulturellen und wirt-schaftlichen Befindlichkeiten und Konstellationen unserer Gegenwart neu und anders zu denken. „[V]ivre par l´épée, est devenu la norme“ („durch das und mit dem Schwert leben“ scheint zur Norm geworden zu sein.“) Der Krieg, der zur politischen Ausnahme gehören sollte, ist zum Sakrament, zum Pharmakon unserer Zeit geworden. Ist es nicht an der Zeit eine Anamnese unserer Zeit zu machen und gleichzeitig die heilende psychiatrische Apotheke eines Frantz Fanons wiederzuentdecken? Ist es nicht an der Zeit eine differenzierte politische Vorstellungskraft für unsere Welt zu erfinden und zu entfalten? Was Achille Mbembe « la fête de l´ imagination » (das Fest der Vorstellungskraft») nennt.
Während im 21. Jahrhundert die Neuverteilung der Weltbevölkerung durch Handel, Krieg, Umweltkatastrophen und Kulturtransfers (S. 28) stattfindet, begann die erste Umverteilung im 16. Jahrhundert mit der Kolonisierung und dem Sklavenhandel, welches unter anderem eine geographische und kulturelle Entwurzelung war. Ein weiterer Aspekt ist der Mensch im Verhältnis zur Ökologie. Hier meint Mbembe vor allem die Möglichkeit der Genmanipulation im Sinne der Selbstoptimierung. Als drittes Merkmal unserer Zeit, wird die Digitalisierung angegeben und als vierter Punkt gilt die Macht des Kapitals. Im Verlauf zeigt Mbembe auf, dass diese 4 Kennzeichen unserer Zeit (S. 24) eine explosive Mischung ergeben, die die Demokratie bedrohen.

In der heutigen Zeit wird die Demokratie u.a. von der Angst vor dem Fremden bedroht. Eine Figur des Fremden, die unterschiedliche Spielarten (Muslim, Jude, Flüchtling, Schwarze…) annehmen kann. Ein weiterer Punkt der Angst macht und die Demokratie zersetzt, ist der Terror und der Kampf gegen Terror. „Terror und Gegenterror sind die beiden Gesichter ein und derselben Realität, der Beziehung ohne Begehren. Der terroristische Aktivismus und die gegen den Terror gerichtete Mobilisierung haben mehr als nur eine Gemeinsamkeit. Beide greifen das Recht und die Rechte an.“ (S. 65). Demokratien, die von der Ge-schichte her bereits zwiespältig sind, wie es die USA am besten aufzeigt, die sich als demokratisches Land sieht und dennoch Sklavenhaltung- und Handel betrieb. Und die moderne Demokratie im Westen entstand durch innere Festigung und erobernde gewaltvolle Expansion über die Weltmeere.
„Die Demokratie trägt die Kolonie tief in sich, und die Kolonie trägt die Demokratie oft in Gestalt von Masken“ (S.55). Unterschiedliche Masken trägt auch der Rassismus. Hier unterscheidet Fanon zum Beispiel zwischen Vulgärrassismus und kulturellen Rassismus. Während es sich beim wissenschaftlichen Rassismus um Vermessungen von Körpern, um Unterschiede festzustellen, handelte, war der kulturelle Rassismus gegen andere Lebensweisen vor allem im Kolonialis-mus prägend. Der kulturelle Rassismus zeichnet sich durch Zerstörung, Herabsetzung anderer Seinsformen aus. Ein weiterer Aspekt ist der Sündenbockreflex, welcher die selbst empfundene Scham, auf andere projiziert. Dies nennt Fanon „Transivitismus“:

„Darunter verstand er nicht die Art und Weise, wie eine Kultur ihre niederen Strebungen und Triebe verleugnet, sondern den Mechanismus, durch den sie diese Strebungen auf einen bösen Geist verschiebt (den Neger, den Juden, den Araber), den sie erfindet und in Augenblicken der Panik oder der Grausamkeit herbeizitiert.“ (S.145).

Die Angst vor dem Fremden wird gerade aktuell wieder heraufbeschworen und zeigt auf, dass die Demokratien sich in Gefahr befinden, sich zu radikalisieren. Angst vor der eigenen Vernichtung, Opfer einer Invasion zu werden oder die Aufrechterhaltung der eigenen Identität sind Auswüchse, mit denen eine Demokratie zu kämpfen hat.
„Wir leben in einer Zeit der Trennung, der Hassbewegungen, der Feindseligkeit und vor allem des Kampfes gegen den Feind, wes-halb denn die liberalen Demokratien, die bereits von den Mächten des Kapitals, der Technologie und des Militarismus beträchtlich un-ter Druck gesetzt werden, in einen gewaltigen Inversionsprozess ge-raten sind.“ (S. 82).

Das führt soweit, dass wieder auf alte nationalistische Werte zurückgegriffen wird und unter dem Deckmantel des Völkerrechtes und der Menschenrechte Kriege und Terror geführt werden. (S.100). Im Bemühen, den Terrorismus (der Anderen) zu stoppen, werden liberale Demokratien zu Sicherheits- und Überwachungsstaaten (S.102). Um die Sicherheit zu gewährleisten wird zwischen „verwandt und nichtverwandt“ (andere Abstammung, andere Religion) unterschieden (S. 106). Dies gelingt vor allem durch Nano- und Hydrorassismus.

Unter Nanorassismus versteht Achille Mbembe den alltäglichen abfälligen Rassismus, der sich auch in Gewalt und Erniedrigungen manifestiert, während der Hydrorassismus sich auf Menschen- und Bürgerrechte berufend sich im bürokratisch- juristischen Bereich (Abschiebung, Aberkennung der Staatsbürgerschaft, …) abspielt. (S.108-110). So sind zum Beispiel Flüchtlingslager Bestand-teil des globalen Bildes geworden, um das Fremde fern zu halten. Auch die Angst, dass der Westen seine Vormachtstellung verliert, beschwört eine Art Apartheidbegehren hervor und reaktiviert den Vernichtungswunsch (S. 117) des Anderen, der/das als Feind vorgestellt wird. Um Apartheid und Trennungen zu vermeiden und Demokratien zu schützen, die immer schwächer werden, ist es notwendig die Welt für alle bewohnbar zu machen, um der Gefahr zu entgehen, eine Gesellschaft der Feindschaft zu werden. (S. 233).
Um die Gesellschaft der Feindschaft zu vermeiden, braucht es ein neues Denken:
„Es wird ein Denken des fließenden Lebens sein; des Lebens, das vorübergeht und das wir in Ereignisse zu übersetzten versuchen“ (S. 233). Auch muss erkannt werden, dass Europa nicht mehr der Mittelpunkt ist und Fragen, die auf-geworfen wurden, nicht mehr alleine von Europa beantwortet werden können. (S.233). Die Globalisierung macht Identitäten fließend, die Frage nach der Herkunft wird obsolet. Und doch bestimmt der Zufall, wo man geboren wurde, wer wir sind und wie wir wahrgenommen werden, noch immer unser Existenzrecht und unser Recht auf Mobilität (S. 229). „Ein Mensch in der Welt zu werden ist keine Frage der Geburt und keine Frage der Herkunft oder der Rasse. Es ist eine Sache des Weges, der Zirkulation und der Verwandlung“ (S.231)

Veranstaltung 2
Buchtitel: Felwine Sarr, Afrotopia

Ursprünglich hatten wir ein Podiumsgespräch betitelt „Migration, Wirtschaft und Digitalisierung aus Afrikanischer Perspektive betrachtet. Afrikanische Diaspora-Organisationen Österreichs als ernstzunehmende AkteurInnen“ (Teil 6) vorgesehen. Bedingt durch die Corona-Situation haben wir uns eher mit dem Buch Afrotopia, des senegalesischen Wirtschaftswissenschaftlers, Felwine Sarr auseinandergesetzt.

Wenn man über Afrika nachdenkt, kommen einem vor allem Klischees in den Sinn. Um diesen entgegenzuwirken, ist es notwendig, sich mit Afrika eingehen-der zu beschäftigen und die rein westliche Perspektive zu reduzieren und einen neuen Blick auf den Kontinent zu wagen. Beginnend mit den Afrikadiskursen die zwiespältiger nicht sein können, wird in Afrotopia erklärt, wie eine afrikanische Utopie sich gestalten und verwirklichen lassen könnte. Die Afrikadiskurse zeichnen sich durch ambivalente Systeme aus. Einerseits der Glaube an eine verheißungsvolle Zukunft, andererseits aber auch Sorge wegen der chaotischen Zu-stände (politische Situation, Bürgerkriege, Dschihadismus…) (S. 12). „Afrotopia ist eine aktive Utopie, die es sich zur Aufgabe macht, die gewaltigen Möglichkeitsräume innerhalb der afrikanischen Wirklichkeit aufzustöbern und sie fruchtbar werden zu lassen“ (S. 15). Wesentlich dabei ist, damit Afrika sich neu definieren kann, dass der westliche Blick reduziert wird bzw. gänzlich verschwindet. Afrika kann nur dann sein volles Potential abrufen, wenn es sich auf die eigene Kreativität und Gesellschaftsformen konzentriert. (S.17). Das betrifft auch die westliche Entwicklungshilfe, die durch Reproduktion westlicher (Gesellschafts)Formen aktiv daran beteiligt ist, die afrikanische Kultur zu verleugnen, damit der Kontinent aber einen Schritt in die Zukunft machen kann, muss er sich auf die eigene Soziokultur und Weltsicht besinnen. (S.25-26). Allerdings muss sich erst entscheiden, wer die kommende Politik bestimmen wird und welche kulturellen Modelle sich durchsetzen werden (S. 43). Afrika steht vor der Herausforderung eine demokratische Kultur zu entwickeln. Um das zu erreichen, muss der politische Raum und die Rohstoffe zurückerobert werden. Das kann nur über Autonomie und Souveränität der Zeit geschaffen werden. (S. 46).

Ein weiterer Aspekt, um die Utopie voranzutreiben, ist die Wirtschaftsleistung des Kontinentes. Um die gegenwärtige Lage besser einschätzen zu können, muss verstanden werden, dass durch die Kolonialisierung die Entwicklung und das Wirtschaftswachstum gehemmt sind. Aber nicht nur vergangene Probleme, sondern auch aktuelle, wie Zersetzung von wirtschaftlichen Strukturen und einfach eine schlechte Wirtschaftspolitik sind verantwortlich, dass die volle Stärke er-langt werden kann. (S. 55-56). Doch so düster sind die Prognosen nun doch nicht und trotz allem verbessert sich das Wirtschaftswachstum in Afrika. „Dazu muss eine sinnvolle Nutzung der produktiven Kapazitäten des Kontinentes sichergestellt werden.“ (S. 64). Das heißt Investition in Humankapital und Infrastruktur und gerechte Verteilung des Wohlstandes. Ein weiterer Aspekt ist die Globalisierung und die Strategien, die dahinterstehen. Auch hier geht es wieder darum sich den westlichen Standards zu entziehen und nach eigenem Ermessen zu handeln, vor allem aber in Begrifflichkeiten der eigenen Kultur. „In der sene-gambischen und westafrikanischen Kultur evozieren die Begriffe „Noflaye“ und „Tawfekh“ die Idee eines Wohlergehens, das mit innerem Frieden und Zufriedenheit einhergeht“ (S. 125). Und solche Grundlagen sollten als Strategie zur Globalisierung hergenommen werden.

Aber es muss auch in psychosoziale und psychoaffektive Strukturen investiert werden, um das Wohlbefinden in psychologischer Hinsicht zu gewährleisten. (S. 64). „Jahrhunderte der Entfremdung und der Knechtung haben in Charakter und Psyche des afrikanischen Menschen Spuren hinterlassen. Er muss die Wunden heilen, die seinem Selbstbewusstsein und seiner Psyche zugefügt wurden/werden und sich heute im mangelnder Selbstachtung äußern.“ (S. 89). Auf die heutige Situation bezogen, bedeutet dass die afrikanische Gesellschaft mehr Selbstver-trauen braucht und sich vom Gedanken, dass der Westen überlegen ist, emanzipieren/befreien muss. Das heißt sich auf die eigenen Stärken konzentrieren und sich nicht erst durch den Westen legitimieren lassen, was auch für die intellektuelle und künstlerische Elite gilt. (S. 90/91). Damit dies gelingen kann ist es wichtig eine eigene Elite zu etablieren. Dies sollte vor allem durch Bildung geschehen, wo auch eine Emanzipation des westlichen Kanons notwendig ist. „Damit die Universität auf fruchtbare Weise angeeignet und kulturell assimiliert werden kann, genügt es nicht, das vom Kolonialismus vererbte System zu reformieren. Vielmehr muss dieses System vollständig aufgelöst werden, um den Grundstein einer neuen afrikanischen Universität zu legen, die den Bedürfnissen der afrikanischen Gesellschaft entspricht. (S. 118). Aber auch außerhalb des universitären Lebens lässt sich die Zukunft verhandeln.

„Denken, Literatur, Musik, Malerei, bildende Künste, Kino, Fernsehserien, Mode, Volkslieder, die Architektur und die pulsierenden Städte sind Schauplätze, an denen sich die kommenden Formen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens abzeichnen und Gestalt annehmen. Die Welt von morgen existiert im Keim bereits heute, und ihre Zeichen lassen sich in der Gegenwart entziffern. „ (S. 131)

Gerade Exilautoren generieren Zukunftsbilder von Afrika (S.133), wie zum Bei-spiel Abdourahman Waberi und Leonora Miano. (S. 133/134). Doch nicht nur in der Literatur oder Mode erblüht ein neues Afrika, sondern auch in den Städten. Diese Städte sollen nicht anderen Großstädten (Paris, New York, Dubai, Shanghai…) gleichen, sondern Ausdruck der afrikanischen Identität sein. (S. 141).

„Wir benötigen Gedenkorte, Museen, von Afrikanern konzipierte Straßen, die unserer Geschichte Gestalt verleihen: unserer erlebten Vergangenheit ebenso wie die Zukunft, von der wir träumen“.
(S. 143)

Die erträumte Zukunft kann bald Real werden, wenn Afrika weiterhin sein Potential ausschöpft und sich vom westlichen Blick emanzipiert. Somit ebnet das Buch Afrotopia den Weg zur Beantwortung der Frage, wie das unternehmerische Potenzial, die Terrain-Erfahrung und die Expertise afrikanischer Diaspora-Organisationen Österreichs in dieser Postvernetzungszeit für die Umsetzung arbeitsplatz-schaffender Projekte, Initiativen oder Investitionen in afrikanischen Ländern genutzt werden kann.
Verfasser: Mag. Alpha Sylla Yaya, 04.2020

Veranstaltung 3
Titel: Kongo am Wendepunkt? Leben als Überleben in der postkolonialen kongolesischen Gesellschaft.
Seit der Kolonialzeit bis heute steht das heute Demokratische Republik Kongo genannte Land in den internationalen Schlagzeilen. Seine Bodenschätze machen aus ihm ein beispiellos reiches Land, ein geologisches Skandalon weltweit: Diamant, Gold, Coltan, Uran, Kobalt, Kupfer, Mangan. Diese Liste könnte unendlich weitergeführt werden. Wie lässt sich dennoch die Tatsache erklären, dass die DR Kongo zu den ärmsten Ländern unserer Welt gehört? Gilt die Hypothese, dass der Reichtum dieses Landes eben sein Fluch sei? Wie lässt sich so ein Widerspruch im 21. Jahrhundert packen? Gehört dies blindlings zu den paradoxen der weltweiten Ungleichheiten? In der Diaspora lebende kongolesische SchriftstellerInnen, KünstlerInnen und PolitikerInnen schweigen nicht angesichts dieser Situation. Die kongolesische Gesellschaft ist eben die Hauptfigur in fast allen Texten des kongolesischen Schriftstellers Fiston Mwanza Mujila. Er sieht sich als Sprach-Mechaniker. Genauso wie ein kongolesischer Handwerker zerlegt er die Sprache bzw. die kongolesische Gesellschaft in seinem und durch seinen international gefeierten Debütroman Tram 83. Prinz Zeka, in Wien lebender und arbeitender Musiker hat das Land Kongo zum Leitmotiv seiner Musikkunst gemacht und nimmt kein Blatt vor den Mund. Mireille Ngosso, in Österreich lebende und arbeitende politisch engagierte Ärztin und Léontine Ngongo, in Österreich lebende und arbeitende Schriftstellerin und Krankenschwester teilen die Leiden unterdrückter kongolesischer Frauen, Kinder sowie Männer und nehmen Stellung. Der Roman Tram 83 von Fiston Manza Mujila sowie aktuelle Berichterstattungen über die DR Kongo dienen als Impulse für ein kontrapunktisches Gespräch über derzeitige Verhältnisse in der postkolonialen kongolesischen Gesellschaft.

Der Debütroman Tram 83 von Fiston Mwanza Mujila handelt von den beiden entfremdeten Halbbrüdern Lucien und Requiem, die sich wieder im fiktiven Ort Stadtland (einer afrikanischen Großstadt im Kongo) begegnen, wo sie ihre Nächte im Club Tram 83 verbringen. Während Lucien ein verhinderter Dramatiker, der bereits wegen seiner Kunst im Gefängnis saß, versucht wieder zu schreiben und zu veröffentlichen, ist Requiem ein ehemaliger Soldat in halb illegale Geschäfte verwickelt. Einzig die Nächte im Tram 83 vereint diese beiden unterschiedlichen Männer, wo sie ihre Träume und Ziele verwirklichen wollen. Dabei helfen soll der Schweizer Malingeau, der Luciens Bühnentext veröffentlichen möchte und eine Lesung im Tram 83 organisiert, die allerdings im Tumult endet und Lucien verprügelt wird. Währenddessen versucht Requiem Malingeau zu erpressen. Letztendlich führen Requiems Erpressungen dazu, dass die Drei aus Stadtland und somit aus dem Tram 83 vertrieben werden, da sie den regierenden General öffentlich bloßgestellt haben, und mit dem Zug ins Hinterland fliehen. Der Roman Tram 83 beschreibt nicht nur die Geschichte der Halbbrüder Lucien und Requiem, sondern auch die gesellschaftliche Situation vom fiktiven Ort Stadtland, der für fast jede afrikanische Großstadt stehen kann., hier allerdings am wahrscheinlichsten für eine Stadt in DR Kongo. Anhand der Besucher des Nachtclubs Tram 83 und deren alltäglichen Leben wird eine Stadt und ein Land skizziert, welches zwischen Moderne und Vergangenheit schwankt. Koloniale Strukturen sind noch immer anhand getrennter Stadtviertel sichtbar. Aber auch in den Schürfrechten der Minen, die der regierende General vor allem an weiße Ausländer vergibt. So hat auch Malingeau Schürfrechte erworben und Requiem zu seinem Vorarbeiter gemacht. Requiem wiederum hat Malingeau betrogen, wo es nur ging. „Ich zock ihn nur ab, weil das Erz uns gehört, es ist unser Erz“ (S.79). Hier zeigt sich das Dilemma. Stadtland ist voller Rohstoffe und Bodenschätze, die Schürfrechte werden allerdings vom regierenden General willkürlich und vor allem an Verwandte, nahestehende Mitarbeiter und Weiße vergeben. Eine gerechte Verteilung ist in diesem korrupten System nicht möglich. Auch die Infrastruktur leidet darunter, dass alles dem Abbau von Rohstoffen untergeordnet wird. Stromausfälle sind an der Tagesordnung, bisweilen gibt es sogar nur ein paar Stunden Strom.

„Dieses Land liegt am Boden, alles muss wieder aufgebaut werden: die Straßen, die Schulen, die Krankenhäuser, der Bahnhof, sogar der Mensch. Was wir brauchen, sind Ärzte, Ingenieure, Zimmermänner, Müllmänner, aber ganz sicher keine Träumer!“ (S. 42).
Damit ist Lucien gemeint, der für die intellektuelle Elite des Landes steht, und nicht mal im Tram 83 erhört wird. Vielmehr wird er bei seiner eigenen Lesung verprügelt und aus dem Club geworfen. Autoren, die nicht systemkonform schreiben, werden mit einem Berufsverbot belegt. So erging es auch Lucien, der sogar dafür ins Gefängnis musste. Anhand der Figur des Lucien, wird deutlich, dass das Land, noch keinen Platz für Intellektuelle einräumt und die afrikanische Literatur einen schweren Stand in Stadtland hat. Requiem kommt scheinbar besser mit der korrupten Situation in Stadtland klar und getrieben vom Kapital gaunert er sich durch den Tag. „Das hier ist Neu-Mexiko. Jeder für sich und Scheiße für alle“ (S. 13). Das Tram 83 der einzige Nachtclub, das schlagende Herz der Stadt, ist seine Burg, von wo aus er Tag für Tag die Stadt einnimmt, bis zu seiner Vertreibung ins Hinterland. Obwohl Requiem sich angepasst hat, scheint die Bloßstellung des regierenden Generals, ein subversiver Versuch, das bestehenden Regime zu stürzen.
Verfasserin und Analystin: Lena Bußjäger. 05.2020

Veranstaltung 4
Titel: „Konzentrationslager, Kolonialplantage und Bergbaukolonie als Taufbecken unserer Moderne“

Joseph Conrads Erzählung Heart of Darkness (1902), Franz Kafkas Erzählung In der Strafkolonie (1919), Joseph Roths Essays Juden auf der Wanderschaft (1927) Mongo Betis Roman Ville cruèlle (1952) (dt. Grausame Stadt) und Jean Amerys Essay Jenseits von Schuld und Sühne (1977) erinnern uns jeweils daran, dass das Konzentrationslager, die Kolonialplantage und die Bergbaukolonie Orte und Räume waren, in/an denen eine subalterne Menschheit gewaltvoll und phan-tasmatisch konstruiert und industriell produziert wurde und daher als Taufbe-cken unserer postmodernen Moderne gelten, um wie der Kameruner Politik- und Geschichtswissenschaftler Achille Mbembe zu sprechen. Weil überlieferte Denkweisen über den kulturell Anderen weiterhin unsere Gegenwart mitprägen, ist die psychisch-phantasmatische Vorstellung einer Gesellschaft ohne den An-deren als Wahnsinn zu diagnostizieren und eher friedliches Zusammenleben zu zelebrieren.
Franz Kafkas Erzählung Die Strafkolonie (1914) handelt von einem Forschungsreisenden, der in eine tropische Strafkolonie reist. Dort wird ihm vom Offizier der Apparat gezeigt. Der Apparat ist eine Folter- und Tötungsmaschine. Der Offizier ist der Richter, der ohne Prozess Verurteilte mit dem Apparat hinrichtet. So einer Hinrichtung soll der Forschungsreisende beiwohnen, um einerseits den Apparat zu bestaunen und andererseits dem Offizier dabei zu helfen, den neuen Kommandanten von der Richtigkeit der Maschine und dem (alten) System zu überzeugen.
Als der Reisende seine Hilfe verweigert, da er von der Unmenschlichkeit des Apparates und des Rechtssystems abgestoßen ist, sieht dies der Offizier als Un-tergang des alten Systems und seiner Rolle darin. Also will der Offizier sich selbst mit der Maschine foltern und (töten). Der Reisende sieht dies als ausglei-chende Gerechtigkeit und unternimmt nichts. Die Maschine funktioniert aber nicht richtig und statt der Folterung, tötet sie den Offizier sofort und geht dabei kaputt. Die Geschichte endet damit, dass der Reisende noch erfährt, dass der alte Kommandant, der für das alte Gerichtssystem steht, im Teehaus beerdigt wurde und laut einer Inschrift wiederkehren wird. Der Reisende verlässt die Insel mit einem Schiff.

Die Strafkolonie beschreibt die beginnende industrielle Tötung und ein Auflö-sen alter Systeme und Etablierung einer neuen Ordnung. Das alte System wird durch den Offizier und den alten verstorbenen Kommandanten, der auch den Apparat und die Strafkolonie gründete, repräsentiert. „Ich bin hier in der Straf-kolonie zum Richter bestellt. Trotz meiner Jugend. Denn ich stand auch dem früheren Kommandanten in allen Strafsachen zur Seite und kenne auch den Ap-parat am besten.“ (S.171). Allerdings muss der Offizier eingestehen, dass der neue Kommandant bereits versucht sich einzumischen. Daher ist es für den Offi-zier wichtig, den europäischen Reisenden auf seine Seite zu ziehen. Der Reisen-de ist zunächst ein neutraler Beobachter, der die Geschehnisse beobachtet und selbst im Moment der Abscheu distanziert bleibt. „Der Reisende überlegte: Es ist immer bedenklich, in fremde Verhältnisse entscheidend einzugreifen.“ (S.178). Da der Reisende nicht Angehöriger des Staates ist, der die Strafkolonie besitzt, sieht er keinen Grund, die Hinrichtung zu verhindern, setzt aber Hoffnung in den neuen Kommandanten. Hier beginnt die Neutralität des Reisenden zu brö-ckeln, die komplett aufgelöst wird, als der Offizier sich opfert und selbst die Ma-schine benutzt, die ihn letztendlich töten wird. „Der Reisende biss sich auf die Lippen und sagte nichts, Er wusste zwar, was geschehen würde, aber er hatte kein Recht, den Offizier an irgend etwas zu hindern.“ (S. 192). Denn der Rei-sende war der Meinung, dass die Selbstopferung richtig ist und er genauso ge-handelt hätte. Sein Nichteingreifen hebt seine Neutralität auf, da sein passives Verhalten eine Reaktion hervorruft. Der Reisende bleibt ein Beobachter und ein Fremder, der den Fall des alten Regimes mitbekommt, aber das neue kaum kennt. Er weiß auch nicht ob das neue System tatsächlich, seinem europäischen Rechtsempfinden entspricht oder nicht. Die Strafkolonie befindet sich im Wan-del. Obwohl der Offizier stirbt und mit ihm der letzte des alten Systems, bleibt eine Ahnung der alten Ordnung, da der Grabstein, des alten Kommandanten be-sagt, dass er wiederkehren wird. Ob die alte Macht zurückkehren wird, oder sich die neue unbekannte durchsetzen wird, bleibt offen, da der Reisende die Insel fluchtartig verlässt.

Wenn das Erscheinungsjahr 1914 berücksichtigt wird, erscheint Die Strafko-lonie als Kritik an kolonialer militärischer Gewalt, wo das Recht des Stärkeren zählt und Gerechtigkeit durch Gewalt erzwungen wird, ja sogar mit Rache gleichgesetzt wird. „Wahrscheinlich hatte der fremde Reisende den Befehl dazu gegeben. Das war also Rache. Ohne selbst bis zum Ende gelitten zu haben, wur-de er doch bis zum Ende gerächt.“ So denkt der anfangs Verurteilte über den Tod des Offiziers. Der Text kann auch als Anti-Kriegs-Erzählung gesehen wer-den, der eine Welt in Auflösung beschreibt und die sich neu konstruieren muss. Auch kann die Geschichte, auf die Gräueltaten der Lager im 2. Weltkrieg umge-setzt werden, wo das Andere, das scheinbar Fremde, systematisch und industriell vernichtet wurde. Die beiden Weltkriege haben unsägliches Leid hervorgebracht, was sich vor allem in der Kolonialisierung, der Ausdehnung und der Errichtung von Vernichtungslagern und der Automatisierung des Tötens manifestierte. Heu-te leben wir zwar in scheinbar friedlicheren Zeiten, jedoch werden die Flücht-lingslager wieder größer und verbreiteter und liberale Demokratien stoßen an ihre Grenzen demokratisch zu agieren. Daher hat Die Strafkolonie von seiner Aktualität nichts eingebüßt.
Verfasser und Analysant: Dr. Ali Mahamat, 06.2020


Veranstaltung 5

Titel: Sven Beckerts King Cotton ein Hinweis auf die Kolonialplantage als Tauf-becken unserer Moderne.

Der Historiker Sven Beckert erklärt anhand von Baumwolle, den globalisierten Kapitalismus und die Mechanismen, die dahinter stecken. Dass Globalität keine zeitgenössische Erfindung ist, zeigt der Handel mit Baumwolle auf, welches ein weltweit umspannendes Gefüge war und ist. So war z.B. die Baumwolle und ihre Verarbeitung bereits 900 Jahre die wichtigste verarbeitende Industrie der Welt (S. 10). Während in China und Indien bis zur industrielen Revolution der Großteil der Produktion und Verarbeitung geschah, kümmerte man sich in Eu-ropa kaum darum. Doch die Situation änderte sich und Baumwolle rückte plötz-lich in den Fokus. Die Baumwolle war/ist so bedeutungsvoll für Europa, dass sie sogar die industrielle Revolution auslöste und weitere Industrien erschaffte. Chi-na und Indien wurden in diesem Prozess vom Markt verdrängt. „Wir bezeichnen diese Jahrzehnte heute als „Great Divergence“ – als den Beginn von bis heute prägenden großen Unterschieden zwischen den Regionen, die sich industriali-sierten, und denen, die das nicht taten, zwischen Kolonisatoren und Kolonien, zwischen den globalen Norden und dem globalen Süden“ (S. 11). Dass Kapital generiert werden konnte für die Baumwolle hat seinen Ursprung im Kriegskapi-tal. (S. 12). Unter Kriegskapital versteht Beckert, das Kapital das durch gewalt-same Enteignung durch Land und Arbeiter in Afrika, Asien und den Amerikas, lukriert wurde. Diese erste Phase des Kapitalismus basiert auf Sklaverei und Ein-satz von Gewalt und erschuf so die europäische Dominanz. Der Kriegskapitalis-mus führte zum Industriekapitalismus, der im Vereinigten Königreich während der industriellen Revolution entstand und sich dann auf Resteuropa und die USA ausdehnte. (S. 13). Der Staat wurde zur wichtigsten Institution, was dazu führte, dass die Bewohner an Einfluss gewannen. Dieser Einfluss zeigte sich zum Bei-spiel darin, dass die Arbeiter in den Fabriken (Fabriken waren eine direkte Er-findung der Baumwollindustrie) sich organisierten (Gewerkschaft) und bessere Arbeitsbedingungen aushandelten, welches zur Folge hatte, dass die Produkti-onskosten stiegen. Auch ist die Rolle der Baumwolle nicht zu unterschätzen bei der Industrialisierung anderer Staaten und Länder.

„Folglich erreichte das Imperium der Baumwolle eine weltweite Ausdehnung wie keine andere Industrie. Da sie Kontinente auf neu-artige Weise miteinander verband, ist die Baumwolle ein Schlüssel zum Verständnis der modernen Welt, der großen Ungleichheiten, die sie charakterisieren, der langen Geschichte der Globalisierung und der sich ständig wandelnden politischen Ökonomie des Kapita-lismus“ (S.15)

Ebenfalls durch Industrialisierung (Erfindung einer Erntemaschine) wurde die Baumwollproduktion in Amerika angekurbelt. Um zu expandieren und am Weltmarkt eine Rolle zu spielen, verstärkte sich der Sklavenhandel, der die Pro-duktion am Laufen hielt. Baumwollwirtschaft und der Sklavenhandel bedingten sich Gegenseitig. England und die USA wurden die Zentren des Baumwollim-periums. (S. 112). Die Südstaaten der USA konnten so erfolgreich sein, weil Boden und Klima perfekt waren. Am wichtigsten aber war, dass sie fast unbe-schränkt über Land, welches sie den Ureinwohner entrissen, Arbeitskraft und Kapital verfügten.
„Zwang und Gewalt, die zur Mobilisierung der Sklavenarbeiter nötig waren, wurden auch zum Charakteristikum des expansionistischen Krieges gegen ein-geborene Völker.“ (S. 116). Durch Baumwolle wurde die USA zum bedeutends-ten Sklavenhalterstaat seiner Zeit, den Sklaven bedeuten Kapital.

„Sklavenhändler, Sklavenquartiere und Sklavenauktionen und die damit verbundene körperliche und psychische Gewalt wurden von zentraler Bedeutung für die Baumwollproduktion in den USA und damit für die industrielle Revolution in England und anderswo“. (S. 118).

Die USA wurde so erfolgreich, dass die Briten Angst hatten zu abhängig zu werden und fürchteten sich gleichzeitig vor Sklavenaufständen, die alles been-den könnten. Um Unabhängiger zu sein versuchten nun die Briten in Indien ei-nen neuen Markt zu etablieren, doch dieses Unterfangen scheiterte rasch, da das Klima und die Lohnarbeit (keine Sklaven) nicht funktionierten. Hier zeigt sich die einzigartige Stellung der USA, die anhand von Sklaven ein Imperium errich-teten. Denn ohne Enteignung, Gewalt und Sklaverei ließ sich anscheinend keine Wirtschaftsmacht aufbauen. So agierte auch Ägyptens Regierungschef Muham-mad Ali Pascha mit Gewalt, um Baumwolle im großem Still anzubauen. „Anders als in den USA, wo die Gewalt von Privatleuten ausgeübt wurde, ging der Zwang auf die Bauern hier von einem vormodernen Staat aus“. (S. 135). Trotz der Bemühungen von anderen Ländern, blieb die USA durch Sklavenarbeit der günstigste Anbieter von Baumwolle und zerstörte dadurch lokale Strukturen in weiten Teilen der Welt. (S. 137). „Das ganze 19.Jahrhundert hindurch setzten Europäer auf die Wirksamkeit des Kriegskapitalismus; immer wieder gelang es ihnen, neue Felder zu bepflanzen, mehr Sklaven zur Arbeit zu zwingen, frisches Kapital zu finden, mehr Baumwollstoffe zu niedrigerem Preis zu produzieren und somit ihre Konkurrenten in Indien und anderswo an die Peripherie zu drän-gen.“ (S. 137). Der Erfolg Englands inspirierte auch andere europäische Länder sich der industriellen Revolution und dem Baumwollgeschäft anzuschließen. Dadurch erhöhten sich der Kriegskapitalismus und die Sklavenarbeit. Trotz Be-denken einiger Beobachter, die die gewaltsame Enteignung von Land, der Skla-venhalterei und der daraus resultierenden Gewalt und den sozialen Unruhen in England, war die Verlockung nach Kapital und Macht zu groß, als dass ein ver-nünftiger Umgang noch möglich wäre. (S. 138). Dieser Raubtierkapitalismus ist so dann auch dem Untergang geweiht.
Verfasserin Und Analystin: Frau Mag. Heidi Putz, 08.2020

Die übrigen für das Aktivitätenjahr 2020 geplanten Veranstaltungen konnten aufgrund der Betretungsverbote durch sukzessive Lock-downs nicht abgehalten werden.