Projekt: Interdependenzen im 21. Jahrhundert (2021)

Black Lives Matter = All Lives Matter
Zu den Zusammenhängen unserer (post) modernen Welt

Die Ermordung des 46-jährigen Afroamerikaner George Perry Floyd am 25. Mai 2020 durch Exekutivgewalt in Minneapolis (im Bundesstaat) Minnesota) hatte nicht nur innerhalb der amerikanischen Zivilgesellschaft, sondern weltweit und vor allem in Österreich eine bis heute andauernde Welle der Empörung und der Entrüstung ausgelöst. Die Black Lives Matter-Bewegung entstand als Reaktion und Antwort auf diesen Tropfen, der das Fass der usamerikanischen Schande zum Überlaufen brachte. Ungefähr 50 Tausend Menschen gingen in Österreich allein in Wien auf den Platz der Menschenrechte, um zu protestieren. Die österreichische Polizei ließ sogar eine elektronische Tafel auf einem Dienstwagen mit der Aufschrift „Black Lives Matter“ montieren, um Solidarität zu bekunden. Die Black Lives Matter Bewegung hat weltweit Zivilgesellschaften dazu geführt nicht nur die Grundfesten der amerikanischen Gesellschaften in Frage zu stellen, sondern vor allem auch die Grundfesten jeweiliger Gesellschaften erneut zu befragen und zu hinterfragen sowie vor allem die Kulturgeschichte des (Nano)Rassismus, der Ausgrenzung und wirtschaftlichen Ausbeutung zu schütteln und zu erschüttern.
In einer solchen geopolitischen Gemengelage haben Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft (mehr denn je) eine gesellschafts- und völkerverbindende Rolle zu spielen. Sie haben zur Aufgabe eine menschenwürdige Idee des Humanen ins Soziale zu inskribieren. Der Ver-ein Initiative AFRIEUROTEXT ist fest davon überzeugt, dass Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft nicht nur Brücken zwischen Kulturen bauen, sondern auch sozialen Frieden stiften. Österreich ist ein EU-Land und pflegt unterschiedliche Beziehungen zu anderen Ländern der Welt. Es ist daher ein Mehrwert für unser wertvolles soziales bzw. kulturelles Feld Österreich, wenn den in Österreich lebenden Menschen die Zusammenhänge unserer Welt im Sinne einer Kultur des Dialogs, des Austausches und des Friedens differenziert verständlich sichtbar gemacht werden. Unser diesjähriges Veranstaltungsprogramm nimmt sich auch vor, die durch die COVID-Pandemie hervorgerufene neuen Fragen über unser Zusammenleben in die Debatten einzubauen. Denn diese Pandemie, die ein differenziertes Zusammenleben zu (be)gründen scheint, wirft implizit Fragen über unsere der-zeitige Welt auf: Fragen der gerechten Umverteilung von (gesundheitlichen) Ressourcen, Fragen der (Inter-)Dependenzen, Fragen des Rechts aufs (Über-)Leben.
Vorliegendes Projekt setzt sich daher zum Ziel, durch unterschiedlich gestaltete und geartete kulturelle, wissenschaftliche und künstlerische Veranstaltungen, das Bewusstsein der breiten österreichischen und europäischen Zivilgesellschaft – im Sinne einer bildungspolitischen Partizipation – auf die Zusammenhänge unserer Gegenwart aufmerksam zu machen. Dadurch wird ein Aufbrechen überlieferter verkrusteter Denkweisen ermöglicht. Es geht darum, einen Umdenkprozess auszulösen.

Dieses Projekt bettet sich in die Vision und Mission von AFRIEUROTEXT ein, einen nachhaltigen Beitrag zu einer Kultur des Austausches, des Dialogs, des Friedens und des differenzierten Denkens und Handelns österreich- und europaweit zu leisten. AFRIEUROTEXT legt viel Wert auf Texte bzw. auf die „Textualität“ unserer Welt. Dies gehört zu den Wesensmerkmalen einer demokratischen Kultur.

DEMNÄCHST/COMING SOON:: WENN DIE DEMOKRATIE DIE KOLONIE IN SICH TRÄGT UND DIE KOLONIE DIE DEMOKRATIE ALS MASKE AUFSETZT
30. September 2021, von 19 bis 20:30 Uhr
(Online-Vortrag und Diskussion – Der Link zum Einloggen wird bald hier stehen

Der Sturz des Präsidenten Alpha Conde am Sonntag 05.09.2021 im Westafrikanischen Land Guinea Conakry durch eine Militärelitentruppe, die von ihm selbst gegründet wurde, um ursprünglich eher Terrorismus zu bekämpfen, versetzt derzeit die gesamte Zivilgesellschaft in Guinea Conackry, im ganzen afrikanischen Kontinent sowie in der ganzen Welt in Aufruhr einerseits. Guinea Conakry ist der erste Produzent weltweit von Bauxit. Ein rotfarbener Rohstoff, der in der Produktion von Aluminium grundlegend ist. Die Auswirkungen dieser brenzligen Situation im rohstoffreichen Land Guinea Conakry lassen sich in den Börsen weltweit spüren, wo der Index von Bauxit und Aluminium in die Höhe schnellen. China ist steht an erster Stelle jener Länder, die Aluminium aus Guinea konsumieren gefolgt von EU-Ländern. Andererseits leben wir in einer Zeit, in der Propaganda mit der Figur des kulturell Anderen bzw. Fremden zu betreiben ein Job wie jeder andere Job geworden ist. Im Zeitalter politisch-psychischer Phantasmen einer Gesellschaft ohne den Anderen ist die Feindseligkeit zum Grundmerkmal gegenwärtiger demokratischer Vorstellungskraft bzw. -schwäche geworden. In seinem neuesten Essay – betitelt Politiques de l‘ inimitié (2016) (dt. Politik der Feindseligkeit) – taucht der Kameruner Geschichts- und Politikwissenschaftler Achille Mbembe in die Apotheke des Psychiaters aus Martinique (Frantz Fanon) ein, um eine psychoanalytische Heilung unserer Gegenwart vorzuschlagen. Achille Mbembes Denken und Schreiben adressiert ebenfalls Verhältnisse, die in den us-amerikanischen Gesellschaft durch die und seit der Epoche des Sklavenhandels festgeschrieben wurden. Diese Podiumsdiskussion steht unter dem Motto „Dialog, Akzeptanz und Toleranz als Garanten für ein friedliches Zusammenleben“. Das Podiumsgespräch setzt sich zum Ziel, Auswege aus fortbestehenden Feindseligkeitlogiken auszuloten, um die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Befindlichkeiten und Konstellationen unserer Gegenwart neu und anders zu denken.

Diese Online-Veranstaltung findet im Rahmen des AFRIEUROTEXT-Projekts „INTERDEPENDENZEN IM 21. JAHRHUNDERT (2021)“

NACHFOLGENDE VERANSTALTUNGEN FANDEN SCHON STATT:

Veranstaltung 1: POLITIK DER FEINDSCHAFT oder WEN „DEUTSCH“ IN DEN BUSCH (EIN-)DRINGT
20. Mai 2021, 17 Uhr
(Online-Vortrag und Diskussion9

Die Völker Afrikas gehören „zu denen, die in ihrem Fleisch, ihrem Gewissen und in ihrer Seele auch die Gewalt der Geschichte erlitten haben. Die sichtbaren und unsichtbaren Folgeschäden dieser langen Geschichte bestehen fort. Aufgrund dieser langen Erfahrung haben wir durch die Stimmen unserer Schriftsteller-, Dichter-, Denker-, KünstlerInnen und Intellektuellen etwas Dringendes und Kostbares, was wir mit der ganzen Menschheit – betreffend menschlicher Leidenserfahrung, geistiger Heilung und Wiedergutmachung in der Welt – teilen können und wollen.“ Diese Passagen entstammen dem Brief Afrikanischer Intellektueller (vom Mai 2020) an die deutsche Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel und den deutschen Bundespräsidenten Herrn Frank Walter Steinmeier adressiert, anlässlich der sog. Mbembe-Debatte, die im Frühling 2020 in Deutschland entflammte – ausgelöst durch grundlose und irrsinnige Antisemitismus-Anschuldigungen von Herrn Felix Klein; dem Bundesbeauftragten für jüdisches Leben, gegenüber dem Kameruner Geschichts- und Politikwissenschafter Prof. Achille Mbembe.

Der Kulturwissenschaftler Daniel Bitouh und der Publizist simon INOU hatten diesen Brief aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt und ergreifen diese Online-Diskussion als Gelegenheit, um Dinge auf den Punkt zu bringen. Diese Online-Veranstaltung bettete sich in die doppelten AFRIEUROTEXT-Projekte „3RRR -Restitution – Rehabilitation and Reconciliation“ einerseits und das Projekt „Interdependenzen im 21. Jahrhundert“ (2021) andererseits. Weiters war diese Online-Diskussion Bestandteil der Ringvorlesung betitelt „Die deutsche Debatte um Achille Mbembe im Kontext. Schlaglichter auf Erinnerungskulturen und Geschichtspolitiken im 21. Jahrhundert“ am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.

Vortragender:
Daniel Bitouh, Literatur- und Kulturwissenschaftler, Leiter von AFRIEUROTEXT Wien
Moderation: Eric Burton, Assistenzprofessor für Globalgeschichte, Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck